Beitrag

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Kunst

80’000 Franken teure Mattioli-Plastik landet beinahe im Alteisen

Datum12. Oktober 2022
VerfasserIGKZU
AdresseZürcher Unterländer
Internetwww.kultur-zueri-unterland.ch
E-Mailad minku ltur-zueri-unterlandch
DownloadMattioli-Zürcher_Unterländer_20221012.pdf

Beschreibung

In Embrach zwischengelagert: 3,5 Tonnen schwer ist ein Werk des Eisenplastikers Silvio Mattioli, der in Schleinikon arbeitete. Fast wäre sie entsorgt worden. Jetzt wird ein Standort gesucht.

 

Katrin Brunner: Beitrag

Seine Kunst steht publikumswirksam in der ganzen Schweiz, beispielsweise in der Stadt Zürich – am Paradeplatz und in Oerlikon. Oder in Martigny, wo sein Werk zwei Kreisel ziert. Die Rede ist vom Eisenplastiker Silvio Mattioli. Der Wehntaler Künstler wird in Kreisen von Kunstinteressierten im gleichen Zug genannt wie Bernhard Luginbühl oder Jean Tinguely.

Philipp Hasenböhler staunte deshalb nicht schlecht, als er im Frühling auf der Onlineauktionsplattform Ricardo das Verkaufsangebot einer Eisenplastik fand. Es handelte sich um ein Werk des in Winterthur geborenen und 2011 verstorbenen Künstlers. Startangebot: 500 Franken. Philipp Hasenböhler war ein Freund Mattiolis und als Teenager immer wieder bei ihm zu Gast. Im Atelier des Künstlers in Schleinikon half er auch gern einmal mit. So baute er unter anderem Modelle für Grossplastiken.

Ab 1969 in Schleinikon heimisch geworden

«Als Silvio die Skulptur 1976 in Kreuzlingen aufstellte, betrug ihr Wert rund 80’000 Franken», erzählt Philipp Hasenböhler. Als er die Anzeige auf Ricardo sah, klingelten bei ihm die Alarmglocken, denn er sah das Kunstwerk in Gefahr. Zumal sich die sichtbare Telefonnummer als jene eines Alteisenhändlers entpuppte. Es gelang Hasenböhler schliesslich, die Plastik zu ersteigern.

Mattioli war nach seinen Lehr- und Wanderjahren 1969 in Schleinikon im Wehntal heimisch geworden und arbeitete bis zu seinem Tod dort. Und jetzt, elf Jahre später, sucht eine seiner raumgreifenden Figuren einen neuen Platz. Sie ist rund fünf Meter hoch und etwa 3,5 Tonnen schwer. Die Geschichte dahinter: Bis vor kurzem stand sie vor einem Altersheim in Kreuzlingen. Nun musste sie dort weg, da das Gebäude und seine Umgebung umgebaut und umgestaltet werden. Das Ansinnen, die trotz ihres Gewichtes filigran wirkende Kunst in Kreuzlingen umzuplatzieren, stiess dort auf taube Ohren.

Letzte zwanzig Jahre in Vergessenheit geraten

Unterdessen keimte in Mattiolis Wahlheimat die Idee, die Plastik zurückzuholen. «Vor allem auch, weil mit Ausnahme von Dielsdorf, Schöfflisdorf und Schleinikon kaum Werke von Silvio im Unterland zu sehen sind», erklärt Hasenböhler. In seiner Heimatgemeinde prägt eines seiner Werke den Dorfplatz in Form eines Brunnens. Aber auch in Bülach steht eine Plastik nebst anderen Kunstwerken im Garten beim Spital Bülach.

«In den letzten zwanzig Jahren sind Silvio Mattioli und seine Werke etwas in Vergessenheit geraten. Jean Tinguely wäre das wohl auch, wenn in Basel nicht sein Museum stehen würde», sagt der erfolgreiche Käufer. Wobei der Wert von Werken mit dem Verblassen des Künstlernamens sinkt.

Umplatzierungsaktion für Eisenskulptur gestartet

Der temperamentvolle Mattioli hatte ein Herz für angehende Künstler. So arbeitete neben Philipp Hasenböhler auch Hans Hässig ab und an im Atelier, lies sich inspirieren und lernte die Bearbeitung von Metall. Hässig führt unterdessen das Kulturlokal «Philosophe» in Dielsdorf und betätigt sich gelegentlich ebenfalls als Eisenplastiker. Auf seine Initiative hin wurde schliesslich ein Platz gefunden, um die Skulptur temporär zwischenzulagern.

Erhard Büchi, ehemaliger Gemeindepräsident von Embrach, bot unkompliziert und spontan Hand. So liegt das Kunstwerk seit diesem Frühling in Einzelteile zerlegt etwas abseits auf dem Gelände eines Holzverarbeitungsbetriebes in Embrach. Die kleine Gruppe von Sympathisanten rund um Philipp Hasenböhler und Hans Hässig ist nun auf der Suche nach einem geeigneten Platz.

Ideal wäre ein Standort im öffentlichen Raum im Unterland. Eine entsprechende Anfrage im Rotary-Club Sektion Dielsdorf blieb leider ohne Erfolg. «Wir suchen einen würdigen Platz für Silvios Plastik, die den sie umgebenden Raum aufwerten wird», äussert sich Hans Hässig über den gewünschten Standort. «Schön wäre es, wenn die auffällige Kunst im Wehntal ihre neue und alte Heimat finden würde.»

Standort gesucht – kein Einzelschicksal

Die Geschichte rund um die Standortsuche für nicht konforme Schweizer Kunst ist im Zürcher Unterland nicht neu. Bereits im Jahr 2017 wurde die von Bernhard Luginbühl 1977 geschaffene Skulptur «Sisyphus» am Flughafen in die hinterste Ecke verbannt. Dies, nachdem sie doch über zwei Jahrzehnte Besucherinnen und Besucher des Flughafens mit ihrer rollenden Kugel und dem gleichmässigen Klack, klack erfreute.

Skulptur am Flughafen wartet auf neue Bestimmung

Auch «Sisyphus» musste einer Baustelle weichen und wartet seither auf eine neue Bestimmung. Ideen dafür seien durchaus vorhanden, schreibt die Pressestelle des Flughafens Kloten. 

  • Falls es Personen gibt, die realisierbare Ideen für einen neuen Standort der Plastik des Künstlers Silvio Mattioli haben oder vielleicht einen Beitrag zur Realisierung einer idealen Platzierung leisten können, melden Sie sich bitte bei: ku lturzu ercherunterlandch oder Telefon 044’860’16’73.

 

Zur Person

Silvio Mattioli kam am 2. Februar 1929 in Winterthur zur Welt. Er absolvierte von 1945 bis 1946 eine Lehre als Steinbildhauer in Winterthur-Hegi und besuchte die Kunstgewerbeschule Zürich. Seine Lehrer waren Otto Teucher in Bildhauerei und Dr. Edwin Gradmann in Stilkunde und Kunstgeschichte.

Von 1949–1950 lebte Mattioli in Paris und wandte sich der Malerei zu. Fasziniert vom Werk Vincent van Goghs schuf er Landschaften, Stilleben und Porträts, die er später zum grössten Teil zerstörte. Wenig zufrieden mit seinen eigenen gemalten Bildern, fand er als Metallplastiker seine Berufung und arbeitete anfangs in den Ateliers des Schweizer Malers und Bildhauers Hans Aeschbacher in Südfrankreich und Zürich.

Von 1969 bis zu seinem Tod 2011 arbeitete er im eigenen Atelier in Schleinikonl. Zahlreiche Förderpreise und Stipendien (u.a. Förderpreis der Eidg. Kunstkommission, diverse Stipendien des Kantons Zürich, Conrad Fredinand Meyer-Preis) ermöglichten ihm ständige Weiterbildung und Auslandaufenthalte. Seine Werke sind in der ganzen Schweiz zu finden. (bruk)

 

Hans Hässig: Mattioli-Sympathisant
«Schön wäre es, wenn die auffällige Kunst im Wehntal ihre neue und alte Heimat finden würde.»